Predigt zu Christi Himmelfahrt in Öschingen
Liebe Gemeinde!
Bevor ich den Predigttext für den heutigen Festtag lese, muss ich kurz ausholen: Die Himmelfahrt Christi ist wohl das am wenigsten verstandenen Fest der Christenheit.
Warum musste Jesus vor den Augen seiner Jünger in die Wolken aufgenommen werden? Er ist ja auf natürlichem Wege in die Welt gekommen, geboren von der Jungfrau Maria – warum ist er, sprich seine Seele, nicht am Ende seiner Zeit auf Erden bei seinem Tod zum Vater gegangen? Schließlich denken viele Christen, dass es sich mit uns allen so verhält …
Die Fleischwerdung Christi und Christi Himmelfahrt verhalten sich aber nicht wie Spiegelbilder zueinander. Jesus ist ein für alle Mal Mensch geworden, hat Fleischgestalt angenommen. Durch seine Auferstehung – das bedeutet leibhafte Auferstehung – ist ja als Erstling der neuen Schöpfung hervorgegangen. Auch wir, die wir durch Jesus Christus gerettet sind, werden aus unseren Gräbern zu einer neuen leibhaftige auferweckt werden. Am jüngsten Tag werden wir alle auferstehen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zum Gericht.
Jesus als Erstling der neuen Schöpfung gehört nicht mehr in diese gefallene Welt. Die 40 Tage, die zwischen seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt lagen, sollte das den Jüngern eindrücklich vermitteln: der Auferstandene ist nicht ein Geist, nicht eine „Seele“ ohne Körper, sondern der auferstandene Christus konnte angerührt werden, hat sogar gegessen.
Das Problem an Himmelfahrt war die Frage, wie Gott es den Jüngern klar macht, dass Jesus künftig ihnen nicht leibhaftig in der Welt zur Seite stehen würde.
Künftig würden sie ihn anders erleben. Nicht immer nur an einem Ort zu einer Zeit, sondern durch den heiligen Geist würde er bei ihnen immer und überall sein!
Dazu haben wir die Schriftlesung gehört. Jesus ist nicht einfach verschwunden, hat sich nicht einfach vor ihren Augen aufgelöst wie Obi-Wan Kenobi im “Krieg der Sterne” (Star Wars) oder ebenfalls dort der Bösewicht Darth Vader und andere vor den Augen ihrer Betrachter zerfallen.
Jesus wurde aufgenommen vor den Augen der Jünger damit sie erkennen, dass er ihnen leibhaftig nicht mehr in der Welt begegnen würde – bis zu seiner Wiederkunft.
Aber er werde den heiligen Geist senden, der in jedem Nachfolgerherzen leben soll.
Jesus geht als der Auferstandene zum Vater, als Mensch der neuen Schöpfung. Aber er lässt seine Jünger nicht allein!
Wie geht das? Das große Thema der Bibel von Anfang bis zum Ende lautet: Wie kommen Gott und Mensch zusammen?
Wie kann die Beziehung zwischen Gott und Mensch gelebt werden?
Der Predigttext für heute behandelt dieses Thema aus alttestamentlicher Perspektive:
1.Kön 8,22-28
12 Da sprach Salomo: Die Sonne hat der Herr an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen. 13 So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest. 22 Und der König trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage…26 Nun, Gott Israels, laß dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir:
Die meisten Häuser haben Namensschilder. Schließlich geht es nicht um das Haus an sich, sondern darum wer darin wohnt. Das Namensschild und die Klingel daneben haben einen einzigen Zweck: Kontakt zu den Menschen im Haus aufzunehmen.
Unser Text gibt uns Antwort auf die Frage:
Wo wohnt Gott? Wo wohnt sein Name – will heißen wo steht sein Name drauf, wo kann ich Kontakt zu ihm aufnehmen?
1) Gott lässt wissen, wo er anzutreffen ist
Des achte Kapitel des ersten Buches der Könige erzählt davon, die Gott im neu gebauten Tempel Wohnung bezieht.
Es ist eine Entwicklung erkennbar in der Geschichte Gottes mit der Welt bis zu diesem Punkt:
- zu Abrahams Zeiten hatte der Mensch kein Wissen darüber, wie die Beziehung zu Gott hergestellt werden könnte. Er wurde ganz unvermittelt von Gott hier und da angesprochen.
- später, beim Auszug aus Ägypten ging Gott mit seinem Volk (Säule von Rauch / Feuer – zwei Lichter im Fenster beim Laubhüttenfest) und ließ die Stiftshütte bauen, wo er durch den Dienst der Priester anzutreffen war.
- In unserem Text wird erzählt, wie Gott Wohnung im Tempel aufnahm, wo er immer für sein Volk am gleichen Ort im Gebet, in Gottesdiensten, in Opfern zugänglich war.
Eine dritte Stufe in dieser Entwicklung wollen wir gleich anschauen (3. Gott nimmt Wohnung in unseren Herzen auf), aber verbleiben wir erst einmal beim Text.
Diese Rede stammt aus dem Bericht von der Einweihung des Tempels. Er steht in Salomos Gebet anlässlich dieses großen Tages…
Erinnern wir uns: David wollte aus seiner Gottesfurcht (und einem schlechten Gewissen) heraus Gott eine “angemessene Wohnung” bauen. Gott hat ihm diesen Wunsch verwehrt, weil er Uria, den Mann Bathsebas umbringen ließ. Er ließ aber zu, dass sein Sohn Salomo ihm mit den Baumaterialien, die David angehäuft hatte, ein Tempel baut.
Aber braucht Gott ein Haus? Die Antwort ist: Nein! Daran lässt auch König Salomon kein Zweifel. Er bildet sich nicht ein, das er Gott in diesem Tempel einfangen könnte.
Er braucht kein “Haus” – das weiß auch Salomo: sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
Nein, Gott braucht kein Haus! Aber wo ist der für uns Menschen anzutreffen? Darum ging es! Uns zuliebe, den Menschen zuliebe zieht Gott in den Tempel ein. Die vorausgehenden Verse erzählen, wie ein Wolke das ganze Innere des Tempels erfüllte, sodass die Priester ihren Dienst nicht tun konnten. Wir kriegen Gott nicht in den Griff. Das ist der Versuch der Religionen. Die Menschen wollen Gott manipulieren, ihn für ihre Zwecke gebrauchen. Es ist schon sehr interessant, das gerade der Gottesdienst verhindert wurde bzw. nicht möglich war, wo Gott seine Gegenwart zeigte. Nein, Gott braucht kein Haus und Gott passt in kein Haus. Aber er zieht in sein Haus ein, damit es ein Namensschild und eine Klingel gibt, wo die Israeliten Beziehung zu ihm aufnehmen können.
Gott geht auf die Schwächen der Menschen ein.
1.Kön 8,29 Laß deine Augen offenstehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet
2.) Das ganze birgt auch eine Gefahr:
wo Gott den Menschen seine Adresse gibt, meinen wir gleich, über ihn verfügen zu können. Da gerät etwas gehörig in Schieflage. Aus einer lebendigen Beziehung, wo wir den Namen Gottes anrufen können und unmittelbar vor ihm stehen wird tote Religion. Vom lebendigen Gott, vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs wird Gott zum Ladenhüter einer Institution. Bei seinen Tempelreinigungen hat Jesus das zum Thema gemacht. Der Tempel soll ein Bethaus sein, nicht Markthalle oder Räuberhöhle.
Bei der Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen hören wir im Dialog folgendes:
„Die Frau spricht zu ihm: … Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“
(John 4,19–24 LUTH-LEM)
Hier deutet Jesus eine radikale Wende an, eine Wende die schon beim Propheten Joel angekündigt wurde: der Geist des lebendigen Gottes sollte auf die Menschen ausgegossen werden und die Beziehung zu Gott persönlich und direkt hergestellt werden.
Blaise Pascal hat das in seinem Memorial festgehalten:
FEUER
Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs,
Nicht Propheten und Gelehrte.
Gewißheit. Gewißheit. Lebendiges Durchdrungensein. Freude. Frieden.
Gott Jesus Christus
Deum meum et Deum vestrum. (Meinen Gott und euren Gott (Joh. 20, 17); Anm.d.Verf.)
Dein Gott wird mein Gott sein –
Vergessen der Welt und alles andern außer Gott.
Er ist nicht zu finden, es sei denn auf den Wegen, die das Evangelium bezeichnet.
Es geht um diese Beziehung zu Gott in Jesus Christus!
Aus der lebendigen Beziehung zu Gott haben Menschen tote Religion geschaffen. Sie machen sich mehr aus dem Namensschild und dem Haus als aus dem, der gesagt hat sein Name soll darin wohnen. Die Klingel wird nicht gebraucht.
Wir sehen das in so vielen verschiedenen Dingen. Am heutigen Tag Christi Himmelfahrt wird auch Vatertag gefeiert. Wo in früheren Zeiten der Tag als heilig angesehen wurde, ist das heute ein weiterer freier Tag. Aus der Prozession mit Kreuz oder Monstranz ist eine Vatertagswanderung mit Klingelstock und Leiterwagen geworden. Ich will nicht katholische Bräuche wieder aufleben lassen, nur auf das Phänomen Hinweisen.
Gott ist größer, als dass wir ihn durch Äußerlichkeiten wie Rituale oder Bauten “in den Griff” kriegen könnten… Jes 6,1 ich sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel
Die Prachtbauten, ob Tempel, Dom oder Münster, die erfüllen in erster Linie alle menschliche Bedürfnisse… sowohl legitime als illegitime von niederer Art (Petersdom und Hagia Sophia)
Gerade in den Institutionen trennen sich dann auch die Glieder am weltweiten Leib Christi (Pfingstthema)…
Gott ist größer – es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen
Es geht nicht darum, die Bedeutung der Kirchen oder deren Gebäuden zu schmälern – es geht darum, dass wir erkennen: die Kirchen und ihre Gebäude sind da, weil jeder, der den heiligen Geist im Herzen hat auch ein Glied am Leib Christi ist und die Gemeinschaft mit den anderen Gliedern nötig braucht, um als Christ in dieser Welt zu funktionieren!
und damit wären wir beim dritten und letzten Punkt.
- Gott nimmt Wohnung in unseren Herzen auf
Gottes Name soll in dieser, seiner Kirche Wohnen. Sein Geist will aber in deinem Herzen wohnen: 1.Kor 6,19 Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört?
Die Menschen unserer Tage sollten wissen, das war ein Kreuz draufsteht, der gekreuzigte und auferstandene drinnen anzutreffen ist! Das geschieht nicht nach der Art von Don Camillo im Zwiegespräch mit dem Kruzifix. Das geschieht dort, wo Menschen in diesen Kirchen anzutreffen sind, in deren Herzen Jesus Christus durch seinen Heiligen Geist wohnt.
Jesus braucht Raum in unseren Herzen. Dieses fordert Raum in unserem Leben ein. Jesus will in und durch uns wirken. Er ist nicht gebunden an einen Kirchenraum. Die Kirchenräume sind für uns da. Jesus ist überall wo wir ihn mitnehmen. Am heutigen Festtag Christi Himmelfahrt ist die Botschaft für uns Christen, die wir Jesus im Herzen haben, dass Jesus uns nicht in dieser Welt verlassen hat. Vielmehr ist er hingegangen, damit er durch seinen Heiligen Geist bei jedem von uns sein kann. Himmelfahrt ist die Voraussetzung für Pfingsten. So stellt es die Bibel dar. So ist auch der logische Zusammenhang von Gottes Weg zu uns in dieser Welt. Der auferstandene und entrückte Herr sendet uns in die ganze Welt, damit er an jedem Ort sein und wirken kann.
Am Anfang unseres Predigttextes lasen wir Die Sonne hat der Herr an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen. 13 So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest.
Jochen Klepper hat diesen Gedanken in seinem Weihnachtslied aus dem Jahr 1938 aufgegriffen:
Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt!
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt!
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht!
Gott kam in das dunkle Innere des Allerheiligsten vom Tempel Salomos. Aber Gott ist Licht und hat die Dunkelheit vertrieben. In der Nacht von Bethlehem wurde Gott Mensch und brachte Licht in unsere Dunkelheit. Das ist Gottes Programm! Er will das Dunkel in unseren Herzen vertreiben mit seinem Licht. Das tut er, in dem er uns seinen Geist gibt. Wir dürfen immer und überall seinen Namen anrufen. Sein Name will in uns wohnen!